Kundgebung in Rutesheim

Ein Zeichen für Demokratie und Grundrechte

Am Sonntag versammelten sich auf dem Rathausplatz viele Menschen, um gemeinsam ein Zeichen für die Demokratie und die Grundrechte zu setzen. In Zeiten, in denen aggressive Gruppen am lautesten wahrgenommen werden, alternative Fakten Kreise ziehen und die Emotionalisierung der Themen zunimmt, ein bedeutendes Signal, wie Bürgermeisterin Susanne Widmaier sagte.

Im Mittelpunkt der Kundgebung standen einzelne Artikel unseres Grundgesetzes. Conny Epple las die entsprechenden Artikel vor, bevor einer der Rednerinnen und Redner an diesem Tag sich eingehender damit befasste. Die Begrüßung übernahm Fritz Schlicher, einer der Organisatoren der Veranstaltung. In Anlehnung an das Erntedankfest nannte er die Kundgebung „Demokratie-Dankfest“. „Wir leben wie selbstverständlich in Freiheit und ohne Angst vor Willkür und Bespitzelung. Aber es ist wie bei einem Acker: wenn man die Hände in den Schoß legt, dann wird der Acker wieder zur Wildnis.“

Stadtrat Dr. Tommy Scheeff berichtete in einer Anekdote, was ihn motiviert, sich für Demokratie einzusetzen. Im Gespräch mit einem Zeitzeugen kam die Frage auf, warum man sich im Dritten Reich nicht gegen die Nationalsozialisten stark gemacht habe. Die Antwort klingt ihm bis heute nach: „Bis wir gemerkt haben, was da läuft, war es schon vorbei.“

Pastor Gottfried Liese von der Evangelisch-methodistischen Kirche befasste sich mit der Würde des Menschen, die laut Artikel 1 des Grundgesetzes unantastbar ist. „Man kann die Würde nur achten oder missachten“, sagte er in seinem Redebeitrag. Die Missachtung nehme aber immer weiter zu. „Was wir dagegen tun können: Dankbarkeit und Vertrauen entwickeln, Zivilcourage wagen, Solidarität und Mitmenschlichkeit leben.“

Zum Artikel 3 „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“, „niemand darf diskriminiert werden“ und „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ sprach Erster Beigeordneter Martin Killinger. „In meiner Verantwortung für die 350 städtischen Mitarbeitenden sehe ich hier meine besondere Pflicht und ehrlich gesagt: Alter, Geschlecht, Herkunft, und so weiter sind völlig egal - es kommt allein auf den Menschen, auf seinen Charakter, seine Gaben und Stärken an.“

Ohne genügend Plätze in der Kinderbetreuung können Familie und Beruf nicht vereinbart werden. Die Stadt Rutesheim habe ihr Betreuungsangebot enorm ausgebaut und sie tue alles dafür, dass die Betreuung - trotz riesigem Personal- und Fachkräftemangel in allen Bereichen - möglichst zuverlässig erfolge.

Kundgebung zum Thema Demokratie und Grundrechte

Zur Kundgebung am Sonntagmittag auf dem Rathausplatz versammelten sich zahlreiche Menschen, die gemeinsam ein Zeichen für unsere Demokratie und das Grundgesetz setzen wollten. Sie verfolgten aufmerksam die Redebeiträge, die sich mit einzelnen Artikel beschäftigten.

Erster Beigeordneter Martin Killinger sprach über die Gleichberechtigung aller Menschen vor dem Gesetz. Ein wichtiges Ziel für die Gleichberechtigung sei, die Gewalt gegen Frauen zu beenden. Es gebe weltweit fürchterliche, unsägliche Formen geschlechtsspezifischer Gewalt, die Mädchen und Frauen und ihre Rechte schwer verletzen. Auch in Deutschland. „Mit der „Roten Bank“ beim Bücherschrank wollen wir dieses Unrecht öffentlich auch in Rutesheim sichtbar machen.“

Außerdem gelte es Vorurteile zu bekämpfen. Sie seien falsch, aber hartnäckig und ihre Verbreitung treibe vor allem in den Sozialen Medien fürchterliche Blüten. „Das betrifft uns alle. Prüfen wir uns. Welche vorschnellen Urteile, welche Vorurteile pflege ich? Keine Erziehung, Religion, Politik oder Kultur, egal was auch immer kann Diskriminierung, systematische Benachteiligung oder Gewalt gegen Andere rechtfertigen.“

Über das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit sowie den Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit sprach Arndt Minter vom VdK Ortsverband Rutesheim. Deutschland sei ein Rechtsstaat, der den Schutz der Grundrechte ernst nehme. Allerdings gebe es auch das Problem der sozialen Ungleichheit. „Menschen mit geringen Einkommen oder in schwierigen Lebenslagen haben oft nicht denselben Zugang zu ihren Grundrechten wie andere.“ Und: „Konflikte entstehen oft bei der Frage, wo die Freiheit des anderen beginnt und wo meine endet.“

Die Freiheit des Glaubens beschäftigte Stadtrat Harald Schaber. Die ist für uns selbstverständlich, das war aber nicht immer so. Er erinnerte an die Waldenser, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden, an Religionskriege und auch an ein jüdisches Ehepaar aus Rutesheim, das in der Nazizeit denunziert wurde. „Sorgen bereitet mir der wachsende Antisemitismus und die Verlagerung von Religionskonflikten nach Deutschland, beispielsweise die aktuellen gewalttätigen pro Palästina / Israel-Demos. Aber wir müssen dieses wichtige Grundrecht unbedingt schützen und erhalten.“

Büchereileiterin Mechthild Hagemeier-Beck sprach über die freie Meinungsäußerung sowie die Presse- und Informationsfreiheit. Sie machte darauf aufmerksam, dass eben auch polemische Äußerungen geschützt sind. Meinungsfreiheit umfasst jede Form der Meinungsäußerung, ohne dass es auf ihren Wert ankäme. Auch polemische Äußerungen seien von der Meinungsfreiheit geschützt. „Jedoch findet die Meinungsfreiheit ihre Grenze dort, wo bewusst eindeutig unwahre Tatsachen behauptet werden, da diese zu der von Art. 5, Abs. 1, Satz 1 GG geschützten Meinungsbildung nicht beitragen können.“ Wir Bürgerinnen und Bürger haben durch die Informationsfreiheit gute Möglichkeiten, uns umfassend aus allgemein zugänglichen Quellen zu informieren. Im Internet lassen sich Informationen in bislang nicht gekannter Fülle abrufen. Das ist Segen und Fluch zugleich, denn oft können wir nicht umfassend beurteilen, ob wir Fake News aufsitzen oder von Informationsblasen gesteuert werden. „Hier kommen qualitätvolle Bücher und Zeitschriften mit geprüften Informationen ins Spiel, wie wir sie in der Bücherei kostenlos zur Ausleihe anbieten.“

Warum das Grundgesetz im Ganzen so wichtig ist, faste Bürgermeisterin Susanne Widmaier zusammen: „Neben dem Schutz der Menschenrechte, der demokratischen Grundordnung und der Rechtsstaatlichkeit legt das Grundgesetz den Grundstein für unser friedliches Zusammenleben. Es wurde nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges und der nationalsozialistischen Diktatur als Instrument entwickelt, um eine friedliche und tolerante Gesellschaft zu fördern. 

Es betont die Notwendigkeit von Vielfalt und Respekt für unterschiedliche Meinungen. Es trägt weiter zur nationalen Identität und zum Zusammenhalt der Bevölkerung bei und schafft ein gemeinsames Verständnis von Werten und Normen, die für das Zusammenleben in einer pluralistischen Gesellschaft wichtig sind.

Und: Es ist anpassungsfähig. Vielleicht zu anpassungsfähig, warum sich ja gerade im Bund eine Gruppe gebildet hat, um unser Grundgesetz auch über rechte Strömungen hinaus zu schützen.“

Reden zu Artikel 1 bis 5 Grundgesetz in vollem Wortlaut:

Gruppenbild der Rednerinnen und Redner der Kundgebung Demokratie vor dem Neuen Rathaus.