Gemeinderat legt Hebesätze mit 160 v.H. fest

Grundsteuer-Reform wird zum 01.01.2025 wirksam

Bald beginnt der Countdown, das Jahr 2024 endet – wahrscheinlich einmal mehr mit großem Feuerwerk und vielen Feiern, bei manchem im Kreis der Familie oder in kleinem Rahmen, bei anderen auf einer großen Party oder in einem fremden Land. Was die meisten eher weniger mit dem Beginn des neuen Jahres verbinden dürften, ist das Inkrafttreten der neuen Regelung zur Grundsteuer. Was lange vorbereitet wurde und eher eine inhaltlose Schlagzeile war, wird nun zur Realität. Im Januar können Bürger mit den Grundsteuerbescheiden rechnen.

Die Grundsteuer: Was ist das eigentlich?

Die Grundsteuer wird bereits seit dem Altertum in verschiedenen Formen und von verschiedenen Kulturen erhoben. Sie zielt darauf ab, dem Staat und damit der Allgemeinheit, die notwendigen Finanzmittel zu geben, damit er die öffentliche Infrastruktur und die umfangreichen Aufgaben der Daseinsvorsorge finanzieren kann.

Gleichzeitig ist die Grundsteuer heutzutage eine der wenigen Stellschrauben, die Kommunen in Sachen Finanzen überhaupt noch haben. Mehr als 90 Prozent der Ausgaben in einem kommunalen Haushalt sind mittlerweile fremdbestimmt. Sie ergeben sich aus Pflichtaufgaben, gesetzlichen Regelungen sowie Aufgaben, die Bund, Land und Kreis den Kommunen übertragen – allzu oft ohne dafür finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen.

Dementsprechend setzt sich die Grundsteuer aus verschiedenen Faktoren zusammen. Einer davon ist der Hebesatz. Dessen Höhe bestimmt die Kommune, der Gemeinderat fasst den entsprechenden Beschluss. Der Gemeinderat Rutesheim am Montag über die Hebesätze entschieden – pünktlich zum Inkrafttreten der Regelungen zur Grundsteuerreform zum 1. Januar. Die Berechnungsgrundlage für die Grundsteuer wird sich dadurch maßgeblich verändern, weshalb sich auch die Hebesätze nicht mehr mit denen aus den Vorjahren vergleichen lassen.

Grundsteuer-Reform zum 01.01.2025

Neben den Hebesätzen fließt auch eine sogenannte Wertermittlung in die Berechnung der Grundsteuer ein. Die Stichtage hierfür lagen bisher in den Jahren 1935 (neue Bundesländer) oder 1964 (alte Bundesländer). Diese Einheitswerte sind heutzutage alles andere als aktuell. Bereits kurz nach der Hauptfeststellung, die bis in die 1970er Jahre andauerte, dachte man über eine Reform nach. Mehrere Anläufe scheiterten. Schon 1995 sollte die Grundsteuer nur noch „übergangsweise“ in ihrer bisherigen Form erhalten bleiben. Eine Arbeitsgruppe entwickelte daraufhin einen Reformvorschlag mit wertorientierter Bemessungsgrundlage, die auf dem Bodenwert und einem pauschalierten Gebäudewert fußen sollte. Einige weitere Vorschläge, Arbeitsgruppen, Initiativen und Klagen waren nötig, bis sich tatsächlich etwas veränderte.

2018 kam das Bundesverfassungsgericht zu dem Schluss, dass dieses Vorgehen verfassungswidrig sei und nicht den tatsächlichen Wert der Grundstücke abbilde. Zudem würden gleichartige Grundstücke dadurch unterschiedlich besteuert. 2019 folgte das Reform-Gesetz, um diesen Mangel zu beseitigen. Den Bundesländern wurde freigestellt, mit eigenen Gesetzen vom Bundesgesetz abzuweichen. Im Bereich Land- und Forstwirtschaft (Grundsteuer A) greifen alle Bundesländer auf die Bundesregelung zurück, nur beim Grundvermögen (Grundsteuer B) gibt es individuelle Regelungen. 

Für die neue Besteuerung ermittelten zunächst die unabhängigen Gutachterausschüsse der Kommunen – für Rutesheim ist das der gemeinsame Gutachterausschuss von Renningen, Rutesheim und Weissach – die Bodenrichtwerte. Eigentümer mussten ihre Grundsteuererklärungen abgeben und die Finanzämter mussten die Grundsteuerwert- und Grundsteuermessbescheide erlassen. Damit fehlte zur finalen Berechnung der Grundsteuer, die jeder Eigentümer zahlen muss, nur noch der Hebesatz der Kommune.

Welche Hebesätze gelten in Rutesheim ab 2025?

Bisher galt in Rutesheim ein Satz von 340% für die Grundsteuer A sowie ebenfalls von 340% für die Grundsteuer B. Ab 2025 liegt der Hebesatz bei der Grundsteuer A auf 160 % und bei der Grundsteuer B ebenfalls auf 160 %. Diese Zahlen lassen sich aufgrund der neuen Berechnungsgrundlage jedoch nicht mit den bisherigen Werten vergleichen. Grundlage der neuen Hebesätze sind die Zahlen des Finanzamtes, wie viel Steuereinnahmen beziehungsweise „Potential“ in Rutesheim für die jeweilige Steuerart vorhanden ist. Als nächstes teilt man das Aufkommen aus dem Jahr 2024 durch die Messbeträge für 2025 und erhält so den neuen Hebesatz. Wichtig waren Stadtverwaltung und Gemeinderat dabei, die Zusage, den neuen Hebesatz aufkommensneutral festzulegen, einzuhalten.

Wie wirkt sich die Grundsteuer-Reform auf den Einzelnen aus?

Nicht so neutral sind die Auswirkungen für Einzelpersonen. „Die Neubewertung sämtlicher wirtschaftlicher Einheiten des Grundbesitzes führt jedoch unweigerlich zu individuellen Belastungsverschiebungen zwischen den einzelnen Steuerobjekten“, schreibt das Bundesministerium der Finanzen in seinem FAQ zur Grundsteuer. Das liegt in Rutesheim dann aber nicht am Hebesatz, sondern an der neuen Bemessungsgrundlage. Wer Fragen zu seinem Bodenrichtwert hat, kann sich an den gemeinsamen Gutachterausschuss von Renningen, Rutesheim und Weissach wenden. Für Grundsteuerwert, Grundsteuermessbetrag und dazugehörige Bescheide ist das Finanzamt zuständig.

Praxisbeispiele

Ein Einfamilienhaus auf einem 400 m² großen Grundstück. Der Bodenrichtwert beträgt zum 1. Januar 2022 - 700 Euro/m². Der neue Hebesatz liegt für die neue Grundsteuer bei 160 % liegen. Die Steuermesszahl beträgt für ein Wohnhaus 0,91 ‰.

Grundstücksfläche x Bodenrichtwert = Grundsteuerwert
400 m² x 700 Euro/m² = 280.000 €

Grundsteuerwert x Steuermesszahl = Grundsteuermessbetrag
280.000 Euro x 0,91 ‰ = 254,80 €
Grundsteuermessbetrag x Hebesatz = Grundsteuer p.a.
254,80 Euro x 160 % = 407,68 Euro

Somit sind für das Einfamilienhaus 407,68 Euro Grundsteuer pro Jahr zur bezahlen. Das entspricht 101,92 € pro Quartal.

Verschiebungen sind möglich

Aufgrund der neuen Berechnung und Bewertungsmethoden, die der Landtag von Baden-Württemberg beschlossen hat, kommt es zu individuellen Belastungsverschiebungen, die die Stadt nicht beeinflussen kann.

Zum Beispiel werden Bürgerinnen und Bürger, die ein kleines Häuschen besitzen, das sie eventuell vor 40 oder 50 Jahren gebaut haben und die einen großen Garten haben deutlich mehr belastet werden.

  • Unbebaute, aber bebaubare Grundstücke werden teurer.
  • Eigentumswohnungen im Mehrfamilienhaus werden eher entlastet und weniger Grundsteuer als bisher bezahlen müssen, denn alleine der Wert des Grundstücks ist Grundlage für die Höhe der Steuer und so zählt ausschließlich der Grundstücksanteil der Wohnung. 
  • Gewerbegrundstücke werden entlastet, weil die Bodenrichtwerte in den Gewerbegebieten deutlich günstiger sind und die Werte der Gebäude nicht berücksichtigt werden.

Widerspruch

Wenn sich die Bedenken gegen den Inhalt des Grundsteuerwertbescheides oder den Grundsteuermessbescheid richten, ist ein Widerspruch gegen den städtischen Grundsteuerbescheid nicht zielführend. Die Stadt ist an den Inhalt des Grundsteuermessbescheides des Finanzamtes gebunden und kann hier nichts ändern. Deshalb: Widersprüche bitte ausschließlich gegen die Bescheide des Finanzamtes richten. Wenn das Finanzamt den Grundsteuermessbescheid ändert, ist die Stadt verpflichtet, diese Änderung zu berücksichtigen. Sie wird dann selbstverständlich den Grundsteuerbescheid ändern und gegebenenfalls zu viel bezahlte Grundsteuer zurückerstatten.

Info

Für land- und forstwirtschaftliche Grundstücke gilt die sogenannte Grundsteuer A.

Für bebaute Grundstücke, sowie für unbebaute aber bebaubare, gilt die sogenannte Grundsteuer B.

Steuerpflichtig sind alle Eigentümerinnen und Eigentümer von Grundstücken.

Auf die Erhebung einer Grundsteuer C, welche Eigentümer unbebauter Grundstücke deutlich stärker belasten soll, verzichtet Rutesheim vorerst.

Auf der Internet-Seite des Finanzministeriums http://www.grundsteuer-bw.de/ gibt es FAQs zum Thema Grundsteuer. Darin werden wesentliche Fragen vieler Bürgerinnen und Bürger beantwortet.

Auf einem Tisch steht ein kleines Haus aus Kunststoff und davor mehrere Stapel Münzgeld.
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